Transponder implantiert: 60 robuste Exemplare dokumentieren Weg ins offene Meer
Hagen. Wie auf einem OP verdeckte ein grünes Tuch den Bereich rund um die offene Wunde. Die Patienten: Fische. Aber die Lachse waren keineswegs krank, ihnen wurde ein Transponder implantiert, der ihren Weg ins offene Meer dokumentiert und helfen soll, mögliche Hindernisse zu beseitigen.
Es war eine Stimmung wie in der Chirurgie eines Krankenhauses. Vorsichtig wurde im Lachszentrum an der Hasper Talsperre ein Lachs nach dem anderen zunächst betäubt, auf den Edelstahl-Tisch gelegt, fixiert und dann am Bauch aufgeschnitten. In die Wunde steckte der „Operateur“ den Transponder. Schließlich wurde der Fisch wieder zugenäht. Zehn Tage noch erhalten die Fische im Lachszentrum an der Hasper Talsperre eine Wundbehandlung und Betreuung. Dann geht es auf die große Reise über die Flüsse und in den Atlantik bis zu den Fressgründen bei Grönland. Den Weg zur Nordsee wollen die Fischexperten unter Leitung des Nationalen Wasserdienstes der Niederlande – einer Einrichtung des Ministeriums für Wasser-Management – nun genau dokumentieren.
Die Lachse werden normal einjährig in den Nebenflüssen des Rheins ausgesetzt. Bei dieser speziellen Untersuchung wurden 60 robustere zweijährige sogenannte „Smolts“ ausgesucht und mit den Chips bestückt. Sie werden in der Sieg, der Dhünn und der Wupper ausgesetzt. Auf ihrer Wanderung flussabwärts werden sie von zahlreichen Schleifen, die bereits im Auftrag der Holländer verlegt wurden, „angefunkt“ und melden darauf ihre individuelle Nummerierung zurück. So kann zu jeder Zeit festgestellt werden, wo sich die Fische befinden. Gibt es keine Meldung, so ist davon auszugehen, dass die Fische tot sind.
Bis zum Rückweg sind die Batterien schlapp
Dietmar Firzlaff, Betriebsleiter des Lachszentrums: „Je nach Fluss oder Flussabschnitt können nun die wahrscheinlichen Todesursachen vom Hecht über Kormoran, Reiher, Umweltgifte, Schiffsverkehr oder Wasserkraftwerke ermittelt werden.“ Gibt es extreme Auffälligkeiten, könnten Konsequenzen gezogen werden. Andre W. Breukelaar vom holländischen Wasserdienst: „Sollten relativ hohe Verluste beispielsweise im Ijsselmeer wegen der dortigen Netzdichte zu verzeichnen sein, so könnte beispielsweise der Rheinzufluss statt in den Lek in den Mündungsarm des Waal erhöht werden. Die Statistiken zeigen, dass sich die Aufteilung der Lachswege ungefähr nach der Wassermasse richtet.“
Erkenntnisse erhoffen sich die holländischen Behörden auch für den Bereich des Deltas im Bereich zwischen Rotterdam und Westerschelde. Diese nach den Überflutungskatastrophen vor allem in den 50er Jahren errichteten Bauwerke schirmen das Land gegen die Nordsee ab, bewirken aber gleichzeitig eine Wandlung in Süßwasser. Nun sollen die Wehre wieder verstärkt geöffnet und zu einer Erweiterung der Salzwassergebiete führen. Das, so Andre Breukelaar, sei wichtig für die Lachse und Meeresforellen, die bisweilen ziellos hin und her schwimmen würden, wenn es keine Gegenströmung gibt.
Der Rückweg allerdings kann mit den Transpondern nicht verfolgt werden. Die Chips und ihre Batterien haben nur eine Lebenszeit von 4 bis 6 Monaten. Bis zu ihrer Rückkehr in die heimischen Laichgebiete aber brauchen die Lachse zwei bis drei Jahre.
Westfälische Rundschau, 20.02.2008